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13. September 2017, von Schwerbehindertenvertretung der Universität Hamburg (ohne UKE)
Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat die Kündigung einer Arbeitnehmerin für unwirksam erklärt, obwohl sie in den vergangenen Jahren erhebliche Fehlzeiten hatte.
Die Arbeitnehmerin war seit 2003 als Anlagenfahrerin und Maschinenbedienerin im Schichtdienst tätig. Seit 2011 hatte sie erhebliche Fehlzeiten aufgrund von Krankheit. Im Einzelnen waren dies:
2011: 139 Kalendertage
2012: 84 Kalendertage
2013: 26 Kalendertage
2014: 81 Kalendertage
2015: 70 Kalendertage bis Oktober
Daraufhin beschloss die Arbeitgeberin, der Anlagenfahrerin zu kündigen. Sie begründete die Kündigung mit den erheblichen Fehlzeiten. Die eheblichen Fehlzeiten ließen den Schluss zu, dass auch in Zukunft erhebliche Fehlzeiten entstünden, so dass die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar sei.
Nach Ausspruch der Kündigung war die Arbeitnehmerin nur noch selten krank, auch im anschließend vereinbarten Prozessarbeitsverhältnis traten keine nennenswerten Krankheitszeiten mehr auf.
Fehlzeiten müssen Prognose ermöglichen
Die Arbeitnehmerin wehrte sich gegen die Kündigung und hatte damit sowohl vor dem Arbeitsgericht, als auch vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg. Die Anforderungen an eine wirksame krankheitsbedingte Kündigung seien nicht erfüllt.
Zuletzt stellte das Landesarbeitsgericht klar, dass bei erheblichen Fehltagen, wie sie im vorliegenden Fall bestehen, bei pauschaler Betrachtung der Verdacht aufkommen könne, dass sich das Arbeitsverhältnis auch zukünftig nicht gut entwickeln werde. Eine solche Prognose ist notwendig, um eine krankheitsbedingte Kündigung zu rechtfertigen.
Gleichzeitig wies das Gericht aber darauf hin, dass nicht jede Fehlzeit aufgrund von Krankheit geeignet ist, eine solche Prognose stützen könnten. Hier kommt es auf die Art der krankheitsbedingten Fehlzeit an.
Lebenskrisen gehen in der Regel vorbei
Deshalb seien die Ausfallzeiten aus dem Jahre 2015 im Umfang von 54 Tagen nicht prognosefähig. Hier sah es das Gericht als erwiesen an, dass die Ausfallzeiten durch eine körperliche Reaktion ("posttraumatischer Beschwerdekomplex") auf die durch die Scheidung ausgelöste Lebenskrise hervorgerufen wurden.
Die Klägerin hat sich nach der Überzeugung des Gerichts im Sommer und Herbst 2015 in einer Lebenskrise befunden, in der sie vorübergehend ihren Lebensmut verloren hatte, was als nachvollziehbare Reaktion auf die Scheidung anzusehen sei.
Allerdings entspreche es ebenso der allgemeinen Lebenserfahrung, dass der Lebensmut mit dem zeitlichen Abstand zu dem auslösenden Ereigniskomplex wiederkehre. Denn: „Im Regelfall stellt sich heraus, dass es trotz der erlebten Krise möglich ist, das Leben auch unter den veränderten Bedingungen geordnet und möglicherweise alsbald auch wieder mit Lebensfreude fortzuführen.“
Soweit also die Lebenskrise ihren „natürlichen Verlauf“ nehme, seien in Zukunft keine weiteren Fehltage zu erwarten, so dass sie bei einer Kündigung keine Berücksichtigung finden können.
Ausgeheilte Krankheiten ebenfalls nicht prognosefähig
Bei den Fehlzeiten aus den Jahren 2011 und 2012 müssten insgesamt 187 Tage herausgerechnet werden. Der eingeklemmte Nervs im linken Ellenbogen, der für diese Fehlzeiten verantwortlich sei, war nach Ansicht des Gerichts als ausgeheilt anzusehen.
Gleiches gilt für die Folgen eines häuslichen Treppensturzes im Jahre 2014, der für weitere 76 Tage krankheitsbedingter Abwesenheit verantwortlich war. Gerade bei Unfällen gäbe es in der Regel keine Wiederholungsgefahr.
Rechne man diese Fehlzeiten ab, so blieben keine relevanten Fehltage übrig, die eine negative Prognose begründen könnten, zumal nach Ausspruch der Kündigung keine Fehlzeiten mehr im relevanten Umfang angefallen seien.
Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 07.03.2017, 2 Sa 158/16 (PDF)