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19. Februar 2020, von Schwerbehindertenvertretung der Universität Hamburg (ohne UKE)
Ein Arbeitnehmer bewarb sich bei seinem Arbeitgeber erfolglos um eine Beförderungsstelle. Daraufhin machte er eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wegen Nichtbeachtung seiner Eigenschaft als Gleichgestellter geltend.
Dem Arbeitgeber war die Gleichstellungseigenschaft bekannt, sie wurde im Bewerbungsgespräch jedoch nicht angesprochen und die Schwerbehindertenvertretung war nicht anwesend.
Auf Nachfrage erfuhr der Kläger, dass die Schwerbehindertenvertretung auch an dem Auswahlverfahren nicht beteiligt war, obwohl bei dem Arbeitgeber die Prozessanweisung besteht, dass Schwerbehindertenvertretung und Personalrat von allen Bewerbungen schwerbehinderter bzw. ihnen gleichgestellter Menschen unverzüglich nach Eingang der Bewerbungen von dem Eingang der Bewerbung zu unterrichten sind.
Das Gericht urteilte:
Der Arbeitgeber hat bei der Stellenbesetzung gegen das Benachteiligungsverbot beim beruflichen Aufstieg gegenüber schwerbehinderten Beschäftigten verstoßen (§ 164 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Er habe den Kläger unmittelbar wegen der Gleichstellung als schwerbehinderter Mensch benachteiligt.
Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG i.V.m. § 164 Abs. 2 Satz 2 SGB IX liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn ein schwerbehinderter Beschäftigter wegen seiner Behinderung eine weniger günstige Behandlung als ein andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Die Benachteiligung kann schon in der Versagung einer Chance liegen.
Unterlässt es der Arbeitgeber, entgegen §§ 164 Abs. 1, 178 Abs. 2 SGB IX, die Schwerbehindertenvertretung zu beteiligten, so ist dies nach ständiger Rechtsprechung ein Indiz i.S.d. § 22 AGG, das mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Benachteiligung spricht.
Indem der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung bei dem Auswahlverfahren nicht beteiligt hat, ist er diesen gesetzlichen Förderpflichten nicht nachgekommen und hat so den Kläger schlechter gestellt, weil er seinen gesetzlichen Auftrag zur Herstellung von Chancengerechtigkeit nicht erfüllt hat.
Nur der schwerbehinderte Bewerber selbst kann auf eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung verzichten.
Eine weitere wichtige Aussage des Gerichts lautet:
Die bessere Eignung von anderen Mitbewerbern schließt eine Benachteiligung nicht aus. Dies folgt schon aus dem eindeutigen Wortlaut des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG. So ist auch dann eine Entschädigung zu zahlen, wenn der schwerbehinderte Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Auf diese Weise sollen die Bestimmungen in § 164 Abs. 2 SGB IX i.V.m. § 15 Abs. 2 AGG das Recht der schwerbehinderten Menschen auf ein diskriminierungsfreies Bewerbungsverfahren schützen.
Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass es bei § 15 Abs. 2 AGG nur um den Ersatz des immateriellen Schadens geht und nicht um den Ersatz von Vermögensschäden. Der Kläger erhielt eine Entschädigung in Höhe von drei Monatsgehältern.