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17. Februar 2021, von Schwerbehindertenvertretung der Universität Hamburg (ohne UKE)
Ein schwerbehinderter Arbeitnehmer mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 70 ist seit vielen Jahren Teamkoordinator in einem Lager. Sein Büro befindet sich in der Lagerhalle, wo auch die ihm unterstellten Mitarbeiter an Packtischen arbeiten. Da in der Halle explosionsgefährdete Materialien lagern, muss der Arbeitgeber die sichere Evakuierung der Gebäude gewährleisten. Der Sammelplatz für die evakuierten Mitarbeiter befindet sich auf dem Parkplatz. Aufgrund seiner Behinderung – er nutzt eine Unterarmgehstütze – könnte der Arbeitnehmer im Fall einer Evakuierung den Sammelplatz nicht in angemessener Zeit erreichen. Das hat eine arbeitsmedizinische ärztliche Beurteilung ergeben. Der Arbeitgeber beantragt deshalb die Zustimmung des Integrationsamts zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers und stellt diesen von der Arbeitsleistung frei.
Im November 2018 sehen sich daraufhin das Integrationsamt, der Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung gemeinsam mit dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz genauer an. Der technische Beratungsdienst des Integrationsamts kommt zu folgendem Ergebnis: Eine Evakuierung des Arbeitnehmers wäre möglich, wenn er sich zunächst in einen gesicherten Bereich begeben und von dort durch „Paten“ abgeholt werden würde. Anschließend wird ein Evakuierungstest verabredet, sobald der beantragte Aktivrollstuhl des Arbeitnehmers eingetroffen ist. Der Arbeitgeber sagt zu, Rücksprache mit der Feuerwehr zu halten, um den Bau einer Rampe abzuklären.
Im Dezember 2018 steht dem Kläger der Rollstuhl zur Verfügung. Zwei Monate später findet der Evakuierungstest statt. Anwesend sind neben dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer der Betriebsarzt, die Fachkraft für Arbeitssicherheit, der Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung. Der Test zeigt, dass sich der Kläger mit Hilfe seines Rollstuhls eigenständig retten kann, wenn am Arbeitsplatz die Maßnahmen umgesetzt werden, die sich aus einer gesonderten Gefährdungsbeurteilung ergeben. Dazu gehört, alle zu befahrenen Wege im Unternehmen behindertengerecht bzw. rollstuhlgerecht auszustatten und rollstuhlgerechte Lösungen (Rampe,
Fahrstuhl) zu schaffen. Außerdem muss sichergestellt werden, dass Hilfspersonal für den Fall der Evakuierung bereitsteht.
Der Arbeitnehmer hatte zwischenzeitlich Klage auf Beschäftigung erhoben. Er war in beiden Instanzen erfolgreich.