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1. April 2021, von Schwerbehindertenvertretung der Universität Hamburg (ohne UKE)
Der schwerbehinderte Kläger hatte sich auf eine Fachbereichsleitung in einem Landesbetrieb beworben und in einem zweistufigen Auswahlprozess keinen Erfolg gehabt. Der Mann wurde zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, aber nicht zur nächsten Stufe, einem als "Potenzialanalyse" bezeichneten mehrstündigen Assessment-Center, in dem die Bewerber begutachtet wurden. Der Kläger rügte, er sei wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden, und verlangte eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) von mindestens drei Monatsgehältern. Der Kläger scheiterte vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht (LAG). Es seien keine Benachteiligungen für den Kläger zu erkennen gewesen, so das LAG. Die Verpflichtung zu einem Vorstellungsgespräch beziehe sich in mehrstufigen Verfahren nur auf das erste Auswahlgespräch (LAG Düsseldorf 26.9.2018 – 7 SA 227/18).
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat auf die Revision des Klägers das Urteil des LAG Düsseldorf aufgehoben. Das Land muss an den Kläger 7.647 Euro plus Zinsen zahlen. Diesen Betrag findet das BAG im Einzelfall angemessen als Entschädigung wegen Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot (§ 15 Abs. 2 AGG). Das BAG erteilt der Ansicht des LAG Düsseldorf, die Einladungspflicht nach § 165 SGB IX bestehe nur für Auswahlgespräche auf der ersten Stufe, eine klare Absage. Der Begriff "Vorstellungsgespräch" sei weit auszulegen. Schon die Tatsache, dass das Land den Kläger pflichtwidrig nicht zum Assessment Center eingeladen hat, sei Indiz für die gesetzliche Vermutung (§ 22 AGG), dass der Kläger wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt wurde (Rn. 24 ff der Urteilsbegründung).
Das BAG geht in seiner Entscheidung sehr ins Detail: Die Einladungspflicht für schwerbehinderte bewerbende Personen gilt auch für die höheren Stufen der Auswahlverfahren. Das gilt unabhängig von der Bezeichnung (z. B. Auswahlgespräch, Assessement Center, Interview etc), unabhängig von der angewandten Methode (biografie-, test- und simulationsorientierte Verfahren) und unabhängig von der Durchführungsform (Rollenspiele, Fallbeispiele, Präsentationen). Dadurch erhöhen sich die Chancen schwerbehinderter bewerbender Personen, sich in solchen Verfahren mit ihren Vorzügen zu präsentieren.