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15. Dezember 2023, von Schwerbehindertenvertretung der Universität Hamburg (ohne UKE)
Das Thüringer Landesarbeitsgericht beschäftigte sich im Mai 2023 mit der Frage, ob die Veränderung einer Teamzuordnung in größeren Betrieben mit Abteilungen und weiteren Unterbereichen eine mitbestimmungspflichtige Versetzung im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG darstelle.
Die Schwerbehindertenvertretungen sind danach gemäß § 178 Absatz 2 SGB IX zu beteiligen, wenn im Rahmen eines innerbetrieblichen Wechsels von schwerbehinderten oder ihnen gleichgestellten Beschäftigten geht.
Der betroffene Bereich der Firma gliedert sich in die beiden Abteilungen Vorfertigung und Fertigung. Aufgabe der Vorfertigung ist die Bereitstellung der Materialien für die eigentliche Fertigung. In der Vorfertigung gibt es verschiedene Teams unterschiedli-cher Größe, die sich aus einem Teamleiter, Produktionsversorgern und Montierern zu-sammensetzen. Es wird im Dreischichtbetrieb gearbeitet. Auf Ebene des Fertigungsgruppenleiters werden Entscheidungen über die Einsatzplanung der Mitarbeiter in der Vorfertigung getroffen. Urlaubsanträge können vom Teamleiter angenommen und auch direkt abgelehnt werden. Die Teamleiter führen Krankenrückkehrgespräche mit den Mitarbeitern auf Basis einer Betriebsvereinbarung. Ausweislich dieser Betriebsvereinbarung führt „der direkte Vorgesetzte“ mit jedem Mitarbeiter ein Rückkehrgespräch nach jeder Fehlzeit.
Anfang des Jahres 2019 hatte die Arbeitgeberin ohne Beteiligung des Betriebsrates Veränderungen bei der Teamzuordnung vorgenommen Dies betraf auch eine Mitar-beiterin, die als Produktionsversorgerin tätig gewesen war und nun in einem anderen Team der Vorfertigung eingesetzt wurde. Das Schichtmodell blieb gleich, lediglich die konkrete Arbeitszeit veränderte sich.
Der Betriebsrat rügte zunächst, nicht angehört worden zu sein. Daraufhin beantragte die Arbeitgeberin die Zustimmung zur bereits erfolgten Versetzung, da diese auf Wunsch der Mitarbeiterin erfolgt sei.
Der Betriebsrat rügte daraufhin die Unvollständigkeit der Angaben und beantragte beim Arbeitsgericht, die Versetzung aufzuheben.
Das Arbeitsgericht gab dem Antrag des Betriebsrats statt, da die neue Teamzuordnung eine Versetzung im Sinne von § 99 BetrVG gewesen sei. Die nachgeholte Mitteilung über den bereits erfolgten Teamwechsel entspreche ersichtlich nicht den Anfor-derungen an eine ordnungsgemäße Unterrichtung. Insbesondere fehlten Angaben zu den Auswirkungen der Maßnahme im abgebenden und aufnehmenden Team.
Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts legte die Arbeitgeberin Beschwerde beim Landesarbeitsgericht ein. Das Landesarbeitsgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz:
Das Arbeitsgericht habe die Arbeitgeberin zu Recht verpflichtet, die bereits durchge-führte Versetzung der Mitarbeiterin aufzuheben. Diese Verpflichtung ergebe sich aus § 101 BetrVG wegen nicht ordnungsgemäßer Beteiligung des Antragstellers gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Die Veränderung der Teamzuordnung der Mitarbeiterin als Produktionsversorgerin in das andere Team der Abteilung Vorfertigung stelle eine Versetzung gemäß § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG dar.
Im Einzelnen führte das Landesarbeitsgericht dazu aus: Versetzung im Sinne des Be-triebsverfassungsgesetzes sei die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die vo-raussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden sei, unter denen die Arbeit zu leisten sei. Der Begriff „Arbeitsbereich“ im Sinne des § 81 Abs. 2 BetrVG umfasse neben dem Ort der Arbeitsleistung auch die Art der Tätigkeit und den gegebenen Platz in der betrieblichen Organisation. Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs könne sich aus dem Wechsel des Inhalts der Arbeitsaufgaben und Verantwortung, aus einer Änderung der Art der Tätigkeit oder durch Zuordnung zu einer anderen betrieblichen Einheit ergeben. Eine Änderung der organisatorischen Umgebung könne darin bestehen, dass der Arbeitnehmer mit neuen Kollegen zusammenarbeiten oder er seine Arbeitsaufgaben innerhalb einer anderen Arbeitsorganisation erfüllen müsse.
In größeren Betrieben mit Abteilungen und weiteren Unterbereichen könne auch ein innerbetrieblicher Wechsel von einer dieser Einheiten zu einer anderen für die Mitbestimmung des Betriebsrats ausreichen. Maßgebend sei dabei die jeweils kleinste or-ganisatorische Einheit, der eine Leitung mit arbeitsrechtlichen Weisungsbefugnissen vorstehe. Denn die schutzwürdigen Interessen des Arbeitnehmers seien berührt, wenn für ihn aufgrund des angeordneten Wechsels ein in seinem konkreten Arbeitsalltag spürbares anderes „Arbeitsregime“ gelte. Dieses könne von den Arbeitskollegen aus-gehen, wenn es durch eine intensive Zusammenarbeit auf deren Person maßgeblich ankomme, wie es beim Wechsel aus den Einzel- in den Gruppenakkord möglich sei. Es könne auch von den unmittelbaren Vorgesetzten ausgehen, wenn diese relevante Personalbefugnisse, etwa die Kompetenz zur Ausübung von Disziplinaraufgaben oder zur Leistungsbeurteilung besäßen.
Vorliegend habe ein Wechsel zwischen den Teams eine Veränderung der Zuordnung innerhalb der betrieblichen Organisation dargestellt, die in einer Gesamtschau die Voraussetzungen für eine mitbestimmungspflichtige Versetzung im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG erfülle.