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21. August 2024, von Schwerbehindertenvertretung der Universität Hamburg (ohne UKE)
Zwischen der Dienststelle und der Schwerbehindertenvertretung besteht in manchen Fällen Uneinigkeit darüber, wann die Schwerbehindertenvertretung gem. § 178 Abs. 2 SGB IX anzuhören ist. Gern wird die Beteiligung auch einfach vergessen.
Das Bundesarbeitsgericht hat zu dieser Frage eine Entscheidung am Beispiel der Leistungsbeurteilung getroffen. Danach hat die Anhörung auch immer dann zu erfolgen hat, wenn sich eine beabsichtigte Entscheidung für die Grupe der schwerbehinderten Menschen oder einen einzelnen schwerbehinderten Beschäftigten aufgrund der Art der Behinderung anders auswirken kann, als auf die Beschäftigten ohne Schwerbehinderung.
Auszug der Bundesarbeitsgerichtsentscheidung (7 ABR 9/20):
Die Leistungsbeurteilung berührt die Belange schwerbehinderter und ihnen gleichgestellter behinderter Menschen entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin in besonderer Weise und anders als die der nicht behinderten Beschäftigten. Zwar sind die Leistungsbeurteilungen nach denselben Beurteilungskriterien und mit den gleichen Auswirkungen für die Entgelthöhe sowohl für die schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten behinderten Arbeitnehmer als auch für die übrigen Beschäftigten vorzunehmen. Bei schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Arbeitnehmern können jedoch je nach Art und Schwere der Behinderung bei der Ausübung der jeweiligen Tätigkeit Einschränkungen bestehen, die sich auf das Beurteilungsergebnis und damit auf die Zulagenhöhe auswirken können.
Das gilt insbesondere für die nach § 10 Nr. 8 ERA-TV sowie Nr. 3.1 ERA-BV vorgesehenen Beurteilungsmerkmale „Anwendung der Kenntnisse und Fertigkeiten (Sorgfalt, Genauigkeit, Zuverlässigkeit)“, „Beweglichkeit (Setzen von Prioritäten, Überblick, Arbeitsverhalten bei verschiedenen Arbeitssituationen)“ und „Arbeitseinsatz (Intensität, Selbstständigkeit, Wirksamkeit, …)“.
Ohne Erfolg macht die Arbeitgeberin insoweit geltend, eine ggf. bestehende be-hindertenbedingte Beeinträchtigung könne sich nach dem in sich abgeschlossenen und einheitlich für alle Arbeitsplätze und Tätigkeiten geltenden Beurteilungssystem nicht in der Leistungsbeurteilung bzw. der Zulagenberechnung niederschlagen. Mit diesem Einwand verkennt die Arbeitgeberin, dass das Beurteilungssystem neben den allgemein gehaltenen Beurteilungsmerkmalen (§ 10 Nr. 8 ERA-TV; Nr. 3.1 ERA-BV) Beurteilungsstufen (§ 10 Nr. 9 ERA-TV; Nr. 3.2 ERA-BV) vorsieht, die die Leistungsbeurteilung im Hinblick auf die Beurteilungsmerkmale mithilfe unbestimmter Begriffe (vgl. § 10 Nr. 9 ERA-TV: „genügt den Leistungsanforderungen nicht immer“; „genügt den Leistungsanforderungen fast immer“; „genügt den Leistungsanforderungen in vollem Umfang“; „übertrifft die Leistungsanforderungen“; „übertrifft die Leistungsanforderungen in besonderem Umfang“) in ein Punkteschema überführen, um auf dieser Grundlage die individuelle Leistungszulage zu berechnen.
Diese in Abhängigkeit von der Erfüllung jeweils zu stellender Leistungsanforderungen vorgesehenen Beurteilungsstufen lassen Bewertungsspielräume zu, die unter Berücksichtigung der ggf. behinderungsbedingten Einschränkungen und der Verpflichtungen nach § 164 Abs. 4 SGB IX auszufüllen sein können. Das hat sich insoweit auch im tariflichen Beurteilungssystem des ERA-TV niedergeschlagen, als nach § 10 Nr. 2 ERA-TV die Anforderungen an die Leistung im Zeitentgelt so zu gestalten sind, dass sie von für die auszuführenden Arbeiten geeigneten, genügend eingearbeiteten und eingeübten Beschäftigten auf Dauer ohne Gefährdung für ihre Gesundheit bewältigt werden können.
Daher besteht bei der Leistungsbeurteilung eines schwerbehinderten oder gleichgestellten behinderten Menschen ein besonderes Bedürfnis dafür, es der Schwerbehindertenvertretung zu ermöglichen, aus ihrer fachlichen Sicht auf mögliche behindertenspezifische Zusammenhänge hinzuweisen. Dies ist auch deshalb geboten, weil der Schwerbehindertenvertretung nach § 178 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB IX ua. die Aufgabe zugewiesen ist, über die Erfüllung der nach § 164 Abs. 4 SGB IX dem Arbeitgeber obliegenden Verpflichtungen zu wachen. Nach § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX haben die schwerbehinderten Menschen gegenüber ihren Arbeitgebern Anspruch auf eine Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können; § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB IX verpflichtet den Arbeitgeber zur behinderungsgerechten Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte sowie der Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfelds, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit, unter besonderer Berücksichtigung der Unfallgefahr; nach § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 SGB IX ist der Arbeitgeber zur Ausstattung des Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen unter Berücksichtigung der Behinderung und ihrer Auswirkungen auf die Beschäftigung verpflichtet. Durch diese dem Arbeitgeber auferlegten Pflichten sollen auch leistungsabhängige Entgeltdifferenzierungen zu Lasten schwerbehinderter Menschen vermieden werden (Düwell in LPK-SGB IX 5. Aufl. § 164 Rn. 203; ErfK/Rolfs 21. Aufl. SGB IX § 164 Rn. 13).