Sie können max. 10 Favoriten hinterlegen.
Bitte löschen Sie einen, bevor Sie einen weiteren hinzufügen.
18. Oktober 2024, von Schwerbehindertenvertretung der Universität Hamburg (ohne UKE)
Der Gesetzgeber hat mit § 74 SGB V eine Möglichkeit der Wiedereingliederung in das Arbeitsverhältnis nach längerer Erkrankung geschaffen. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer, der weiterhin Krankengeld bezieht entsprechend einem ärztlichen Wiedereingliederungsplan beschäftigen. Dieser Plan sieht in der Regel verminderte Arbeitszeiten vor und spart überfordernde Tätigkeiten aus. Im Rahmen einer solchen stufenweisen Wiedereingliederung (Hamburger-Modell) steht dem Beschäftigten weder ein Vergütungsanspruch zu noch das Recht, dass sein Arbeitgeber einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt. Im Grunde ist die Wiedereingliederung für den Arbeitgeber freiwillig (BAG 24.09.2024 – 5 AZR 611/12).
Handelt es sich um einen schwerbehinderten Menschen, ändert sich die Rechtslage. Aus dem Anspruch auf einen behindertengerechten Arbeitsplatz nach § 164 Abs 4 SGB IX ergibt sich in der Regel der Anspruch, dass der Arbeitgeber an der stufenweisen Wiedereingliederung mitwirken muss.
Voraussetzung hierfür ist die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung. Der behandelnde Arzt muss, abgestellt auf die Erkrankung und Behinderung des Beschäftigten, die Wiedereingliederung empfehlen und eine Prognose der Arbeitsfähigkeit nach Durchführung abgeben. Aufgrund der Bescheinigung kann der Arbeitgeber erkennen, dass er mitwirken muss und ggf. nicht wegen Unzumutbarkeit ablehnen kann (BAG 16.05.2019 8 AZR 530/17).
Dieser Anspruch lässt sich nach § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren durchsetzen. Der Anspruch geht allerdings ins Leere, wenn der Arbeitgeber Rechtsmittel einlegt und sich das Verfahren möglicherweise über Jahre hinzieht. Deshalb lässt sich dieser Anspruch auch mittels einstweiliger Verfügung nach § 62 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 935 ff. ZPO durchsetzen.
Das Arbeitsgericht (AG) Aachen hat aktuell diese BAG-Rechtsprechung bestätigt. Im vorliegenden Fall ging es um einen Mann, der an einem Hirntumor erkrankt war (GdB 90). Nach erfolgreicher Therapie stellt die behandelnde Ärztin einen ersten Wiedereingliederungsplan aus, den der Arbeitgeber als unzureichend ablehnte. Die Ärztin besserte mit einer Arbeitsfähigkeitsprognose nach.
Das AG erließ daraufhin eine einstweilige Verfügung und bestätigte die Eilbedürftigkeit. Dem schwerbehinderten Kläger hätte bei Abwarten des Hauptverfahrens ein Rechtsverlust gedroht. Der Mann hatte ein starkes Interesse daran, seine Wiedereingliederung in das Berufsleben und die Rückkehr an seinen Arbeitsplatz möglichst zeitnah im Anschluss an seine erfolgreiche Therapie zu beginnen.
Quelle: AG Aachen 12.03.2024 2 Ga 6/24