Arbeitssituation in der Pandemie - Wie vermeiden wir Konflikte in diesen Zeiten?
Ein Artikel von Sonja Nielbock
„In Präsenz hätte ich den Konflikt im April bereits wahrgenommen. In dieser ausschließlich digitalen Zeit wurde der Konflikt erst Monate später an mich herangetragen. Diese Situation war bereits verhärtet.“ So ein Vorgesetzter im Gespräch.
Missverständnisse und Unzufriedenheit können leicht entstehen, wenn Kolleg:innen sich nur digital begegnen. Wenn sich ein Team maximal im Videomeeting sieht und über E-Mail und andere Medien kommuniziert, können Konflikte lange schwelen bevor sie erkannt werden. Sicherlich lösen sich einige Situationen mit der Zeit wieder auf. Andere Situationen eskalieren jedoch über die Zeit, die Arbeitsbeziehung verhärtet sich, E-Mails werden einseitig interpretiert. Das Vertrauen wird so beschädigt, dass die Konfliktklärung nur noch über Machtinterventionen, Entscheidung von höheren Positionen, möglich wird.
In diesem Artikel geht es um die Sensibilisierung für Konfliktquellen und Hinweise sowie Empfehlungen für die Konfliktprävention.
Konfliktquellen
Neben den Quellen und Ursachen von Arbeitskonflikten, die es immer gibt, wie unklare Zuständigkeiten, Kompetenzgerangel u.a. gibt es zwei wesentliche weitere mögliche Quellen: zum einen die unterschiedlichen Lebensbedingungen der Beschäftigten, zum anderen die unterschiedlichen Haltungen, Werte und Gefühle bzgl. der Pandemie.
Gesellschaftliche Themen haben in den Arbeitsteams eine andere Bedeutung gewonnen, da die Lebenssituationen und Auswirkungen der Pandemie mit den unterschiedlichen Werten zum Umgang mit der Pandemie sich konkret auf Teamsituationen auswirken können. So kann es durchaus passieren, dass Menschen, die die Gefahr des Virus nicht anerkennen und Menschen, die große Ängste vor dem Virus entwickelt haben, in einem Team sind.
Während vor Ort im Büro die Arbeitsbedingungen in einem Tätigkeitsbereich relativ gleich sind, sind die Bedingungen im Homeoffice vielfältig: von Menschen mit Kindern in engen Wohnräumen ohne Arbeitszimmer bis hin zu Menschen, die alleine leben und denen im Winter vor allem die Isolation zu schaffen machte, in kleinen Wohnungen mit vielen Personen oder im Haus mit Garten oder Balkon; Menschen, die kranke und gefährdete Familienangehörige und Bekannte zu versorgen haben oder die Entwicklungen der Pandemie in den Medien zu verfolgen – alles unterschiedliche Belastungen, die nicht in einem Ranking bewertet und miteinander in die Waagschale geworfen werden können.
Einigen Menschen fehlt der Kontakt mit den Kolleg:innen sehr, andere können sich allein zu Hause gut konzentrieren und sind zufriedener als im Büro. Die Lebenssituation spielte in Präsenz in vielen Arbeitsteams keine große Rolle. Das ist nun anders. Von einigen Kolleg:innen kennt man mittlerweile die Kinder und Haustiere, von anderen erfährt man weniger. Für Vorgesetzte ist es eine Herausforderung, eine gute Balance zu finden zwischen respektvoller Distanz und Schutz der Privatsphäre einerseits und Entwicklung von Kontakt zu den Mitarbeiter:innen, um mitzubekommen, wie es ihnen geht und welche Unterstützung sie benötigen. Gegenwärtig kann Erschöpfung nach einer langen Mehrfachbelastung durch Homeschooling/Homeofficezeit u.a. eine Quelle von Konflikten im Team sein. Eine andere Quelle kann sein, dass Menschen sich zurückgezogen haben und das Commitment mit dem Arbeitsbereich, die Identifikation mit der Uni insgesamt verloren geht. Zu Teamkonflikten kann es kommen, wenn diese sehr unterschiedlichen Situationen in einer Gruppe aufeinandertreffen. Wie sind gleiche Arbeitsanforderungen möglich bei diesen unterschiedlichen Voraussetzungen?
Auf die Pandemie reagierten Menschen sehr unterschiedlich. Mit der Dauer der Pandemie haben sich die Wertvorstellungen, welches Verhalten und welche Regeln wichtig sind, polarisiert. An den Polen finden sich Grundbedürfnisse und Grundängste. Sicherheit versus Freiheit. Angst vor der Krankheit und sozialen Kontakten versus Angst vor dem Alleinsein und Einschränkungen.
Beides – Bedürfnisse und Gefühle – können nicht wegdiskutiert oder ausgeredet werden.
Handlungsansätze für die Konfliktprävention
In diesen Zeiten ist es wichtiger denn je, dass Vorgesetzte sich Zeit nehmen und ihren Mitarbeiter:innen offene Fragen stellen und zuhören. Eine schnelle gute Lösung ist nicht erforderlich, die Wirkung des Zuhörens ist für das Wohlbefinden meist schon relevant. Wichtig ist es eine Balance zu finden, einerseits Privatsphäre zu gewährleisten und zu respektieren und andererseits zu vermitteln, dass es interessiert ist zu erfahren, wie es dem einzelnen konkret in der Pandemie zu Hause oder vor Ort wirklich geht. Das ist einfacher möglich, wenn man sich bereits vor der Pandemie kannte und es eine vertrauensvolle Zusammenarbeit gibt. Schwierig wird es, wenn Vorgesetzte ihren Mitarbeiter:innen nicht vertrauen oder umgekehrt die Mitarbeiter:innen misstrauisch sind und sich verschlossen verhalten. Hier gilt es, bewusst Kontakt und Vertrauen aufzubauen und Sichtweisen und Werte nebeneinander stehen zu lassen.
Vorgesetzte können gerade jetzt die Beratungsangebote von Personalentwicklung und Beratungszentrum benötigen, um sich auf diese Situationen ebenso wie die Übergänge vom Homeoffice in eine neue Arbeitssituation wieder mit Präsenz und Homeoffice vorzubereiten. Im Coaching und kollegialem Austausch u.a. können gute Anregungen zur Gestaltung der Teamzusammenarbeit im Sinne einer Konfliktprävention gegeben werden.
Gerne unterstützen wir Vorgesetzte und Mitarbeiter:innen auch in kurzen Telefon- und Videogesprächen.
Hier ein paar Hinweise:
Konfliktprävention in virtuellen Besprechungen- worauf liegt der Fokus?
• „Es ist wie es ist“ – Akzeptanz der Situation und das Beste daraus machen.
• Transparenz und Klarheit: In Worte fassen, was geht und was nicht geht.
• Ansprüche anpassen.
• Kontakt im Arbeitsbereich/Team bewusst herstellen und gestalten.
• Die Beziehungsebene ist wichtig!
• Kollegiale Unterstützung, Austausch und Vorgesetztenfürsorge sind Teil der Arbeit.
• Veränderungen lösen Emotionen aus und müssen verarbeitet werden.
• Besprechungen brauchen eine klare Struktur.
• Für all das müssen wir uns Zeit nehmen.
• Konfliktprävention vermeidet zeitaufwändige energiezerrende Konflikte!
• Frühwarnsignale wahrnehmen und ansprechen.
• Mimik auch mal ansprechen, Idee: Austausch über „Denkgesichter“.
• Lange Diskussionen hinterfragen: Worum geht es eigentlich wirklich? Wer hat das zu entscheiden?
• Machtkämpfe wahrnehmen und über gemeinsame Ziel sprechen.
• Erwartungen aneinander austauschen und abgleichen.
• Klare Kommunikation.
• Zuhören.
• Grenzen setzen: Klar definieren, was geht und was nicht.
Zur Vertiefung findet am 28.09. um 13 Uhr online ein Konfliktpräventionsworkshop statt: Wie vermeiden wir Konflikte im digitalen Raum?